Das Maß der Dinge

Der Heilbronner Künstler Michael Hieronymus ist als Maler und Bildhauer vor allem durch seine große Retrospektive „vom Atem der Welt“ im November 2004 in Heilbronn im Hagenbucher bekannt geworden. Schwerpunkte in dieser Ausstellung waren seine großformatigen Acryl-Gemälde zu Feuer, Wasser, Luft und Erde, - also die Thematik der Urelemente. Diese Urelemente hatte der Künstler persönlich– 41jährig - im Frühjahr 2004 auf einer Wanderung zu Fuß durch Nordspanien auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela sehr eindringlich und „hautnah“ erlebt.

Michael Hieronymus ist bis heute ein neugieriger, geistig sehr wacher und innovativer Mensch. Die Unermesslichkeiten der Natur, ihr Wachsen, Werden und Sterben, ihre Poesie, ihre Lebenskraft und Lebensenergie und deren Beziehungen und Energieflüsse faszinieren ihn existentiell. Diese Themenkreise durchdenkt und bearbeitet er heute komplex und tiefgründiger denn je. In den 20 hier im Park präsentierten Skulpturen sind diese Themenkreise sichtbar.

Hier kommt der Natur als rahmende Folie einegrundlegende Bedeutung zu. Denn das hiesige Ausstellungsgelände- der ehemalige Friedhof mit seinen rund 100 Jahre alten Bäumen aus der Gründerzeit der Weinsberger Heilanstalt -  ergibt im Zusammenklang mit der Rundarchitektur des alten Monopteros von 1907 und dem asketisch-strengen Formenkanon der Stahl-Skulpturen von Michael Hieronymus einen wunderbaren Skulpturengarten. Dieser Skulpturengarten ist für das Weinsberger Tal in dieser Form einmalig und sicherlich eine große Bereicherung!

Anhand der hier im Park ausgestellten Skulpturen, möchte ich auf den verwendeten Stahl in der Kunst von Michael Hieronymus aufmerksam machen.

Das Material heißt Corten-Stahl, eine Stahllegierung, die sich durch besonders hohe Witterungsbeständigkeit auszeichnet. Denn die Oberfläche von Corten-Stahl ist mit einer dichten Eisenoxidschicht überzogen, die für die hohe Rostbeständigkeit verantwortlich zeichnet. Sie fungiert als Sperrschicht, die einen weiteren Zutritt feuchter Umgebungsluft und damit einen weiteren Rostangriff verhindert.

Corten-Stahl aber ein erstklassiges und sehr stabiles Material für zeitgenössische Skulptur, weil er zwar anrostet, aber nie durchrostet! Dieses ästhetische Paradoxon macht für Michael Hieronymus den Reiz und die Hinwendung zum Corten-Stahl aus. Corten-Stahl vermittelt Dauerhaftigkeit, archaische Anmut! Auch die Assoziation an sich verändernde menschliche Haut drängt sich mir auf. Die dunkle, von Rot ins Braun changierende Oberfläche wirkt lebenswarm und lebensnah, zugleich aber auch rau und puristisch. Beim Anblick dieser Skulpturenwelt kommen mir Gedanken hin zur Mutter Erde und ihrer grenzenlosen Fruchtbarkeit, und zu Begriffen wie Würde, Alter, Respekt, Kraft, Ruhe und Stille (gerade hier auf dem alten Friedhofsgelände!).

Sein Wille nach Konzentration auf das Wesentliche von Form und Inhalt prägt seine Skulpturenwelt und lässt ihn ähnlich nach der berühmten Devise von Wilhelm Lehmbruck verfahren, der 1919 sagte: „Alle Kunst ist Maß. Maß gegen Maß, das ist alles. Die Maße, die Proportionen, bestimmen den Eindruck. Daher muss eine gute Skulptur wie eine gute Komposition gehandhabt werden, wie ein Gebäude, wo Maß gegen Maß spricht“.

Wichtig für Michael Hieronymus ist weiter, dass er für seine Skulpturen Titel wählt, die für uns als Betrachtende eine Verständigungsbrücke sein können. Skulpturen mit dem Titel: „Monument zu Ehren der Sonne“, „Gruppe“, „Räume“, „Umarmung“, „together“, „Haupt- und Nebenwege“ u.a. zielen inhaltlich und formal auf elementare Beziehungen und Energieflüsse.

Dr. Andreas Pfeiffer

 

Der Skulpturenpark im ZfP( Zentrum für Psychiatrie) 74189 Weinsberg ist ganzjährig geöffnet.  Er befindet sich am oberen Ende der Anlage hinter der Kirche. Besuchen Sie diesen Park zu den unterschiedlichen Jahreszeiten und Sie erleben die vielfältigen Stimmungen und den Zauber des wechselnden Lichts und der Skulpturen im Zusammenspiel mit der beseelten Natur. Genießen Sie die Momente mit sich und der Kunst.